Ganzjährig wachsen und gedeihen sie, diese Schlinggewächse der Wortakrobaten, die mit Mutmaßungen und Halbwissen jonglieren, um Antworten auf Fragen zu suggerieren, die den Erkenntnisprozess in Werbung und Marketing angeblich vorantreiben. Erkenntnisprozesse sind jedoch vor allem an Wissen gekoppelt, und dazu gehört sicherlich das zurzeit im Focus des Marketing stehende interdisziplinäre Forschungsfeld aus Medizin, Biologie, Physik, Hirnforschung, Kognitionswissenschaften, Psychologie und Ökonomie – Neuromarketing.
Zentrale Fragen der Marketingfachleute bleibt: Wie kann ich die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf mein Produkt lenken und in Erinnerung bleiben? Angesichts der wachsenden Reiz-, Kommunikationsüberflutung und Markenvielfalt sinkt das Informationsinteresse der Konsumenten in zunehmendem Maße. Homogene Angebote auf gesättigten Produktmärkten lassen Marken mehr und mehr zum immateriellen Wertschöpfer avancieren. Für nachhaltigen Erfolg muss der Leistungskern eines Markenproduktes den Konsumenten sowohl auf dem nationalen, aber insbesondere auf den internationalen Märkten einen Nutzen versprechen. Desweiteren sollten die Konsumenten diesen Nutzen auch wirklich über die Marke als Symbol wahrnehmen. Die bisher verwendeten Markenimageanalysen bildeten dabei nur das kognitiv bewusste Markenwissen ab. Die Symbolkraft einer Marke erstreckt sich aber vor allem auf allgemeine Emotionen, die in fast allen Kulturkreisen wiederzufinden sind. Diese kollektiven Deutungsmuster (Markensubstanz) bleiben unbewusst und entziehen sich damit den bisherigen Befragungsmethoden.
Über die Abbildung von neuronalen Vorgängen im Gehirn versucht Neuromarketing unbewusste Markenentscheidungen zu belegen. Die Forscher beobachten, untersuchen und messen mittels eines Kernspintomographen die neuronalen Aktivitäten im Gehirn während der Stimulus – Marken, Logos, Gesichter oder Produkte – präsentiert wird. Benannt wird diese Methode als Funktionelle Magnetresonanztomographie, kurz: fMRT.
Dank fMRT wird die Aktivität der verschiedenen Gehirnareale über magnetische Schwingungen sichtbar. Neuronale Vorgänge lassen sich auf diese Weise im Moment der Entscheidung untersuchen, wodurch Forschungsergebnisse objektiver und verzerrungsfreier werden. Die Hirnforscher können festhalten, welche Bereiche im Gehirn wann reagieren und die Wirkungsweisen differenzieren. Durch die bisherigen Forschungsbemühungen auf dem Gebiet des Neuromarketing gelang es bereits eindeutige Zusammenhänge zwischen Prozessen im menschlichen Organismus (z. B. Emotion, Wahrnehmung, Gedächtnis, Einstellung) und der Gehirnaktivität zu bestimmen.
Von besonderem Interesse ist der sogenannte „Nucleus accumbens“. Die Aktivität dieser auch Belohnungszentrum genannten Gehirnregion löst bei uns das Bedürfnis des Haben-Wollens aus und sorgt für ein Glücksgefühl. Ebenso entscheidend ist der Bereich im Kontrollsystem, der impulsives Verhalten unterdrückt bzw. die Areale in dem die gedächtnisbezogene Hirnprozesse ablaufen.
Dazu verdichten die aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung immer mehr die Anschauung, dass eine Entscheidung im Gehirn bereits getroffen wurde, bevor sie der Person bewusst wird. Die eigentlichen Antriebe entstehen im limbischen Bewertungs- und Gedächtnissystem. Bei der Frage – Was wähle ich für mich jetzt? – bewertet das Gehirn nach den gespeicherten Konsequenzen früheren Verhaltens. Das Resultat des vorherigen Handelns und der dabei gefühlte emotionale Zustand werden festgehalten und gestalten die Basis für die neue Entscheidung. Dieses geschieht mit einem unbewussten Automatismus.