Gutes Schreiben verlangt Selbsterkenntnis

by Harald Pia

Gutes Schreiben verlangt Selbsterkenntnis! In einem Roman / Kurzgeschichte entwickeln Sie 5-10-20 oder auch mehr Protagonisten und arbeiten deren Charaktere aus. Ein kreativer Prozess, in den – bewusst oder unbewusst – sämtliche Elemente Ihres persönlichen Charakters einfließen. Stärken und Schwächen! Wissentlich gestaltet, stärken Sie die Figuren. Ungewollt, da ahnungslos, schwächen Sie das Buch. Sie können dieses nicht verhindern. Es findet sich in kleinen Details wieder, die sich dann oft als absolut überflüssig erweisen und in keinem entsprechenden Bezug zu dem für den Roman notwendigen Charakter stehen. Bestes Beispiel: Eitelkeit – Autoren sind eitel und diese Eitelkeit findet man in ihren Büchern wieder. Sie gestalten ein Aussehen, einen Kleidungsstil, ein Accessoire besonders, obwohl eine Hervorhebung nicht notwendig ist. (Die Betonung eines schwarzen Kaschmirmantels macht vielleicht Sinn, wenn sich der Protagonist im weiteren Verlauf der Geschichte durch den Verkauf Kapital beschafft oder er sich in der beschriebenen Situation von der Umgebung abheben muss. Meist ist es jedoch ein Detail, welches völlig überflüssig ist und sich aus der Eitelkeit des Autors erschließt.)

Sie müssen für sich immer die Frage aufwerfen, warum schreiben Sie darüber. Alle Worte (jedes Wort) erwecken immer eine Erwartungshaltung und bilden eine Vorstellung in dem Leser. Wie wollen Sie erkennen was Sie gestalten, wenn Sie sich nicht selbst begegnet sind? Sie schreiben ein Buch, dies beinhaltet harte Arbeit und gestaltet etwas für Sie persönlich sehr wertvolles. Mit allem was einen Wert besitzt sollte man mit der größtmöglichen Achtsamkeit umgehen. Deshalb, grundsätzlich, alles was Sie schreiben, sollte bewusst geschehen. Die oberste Prämisse hierfür heißt Selbsterkenntnis! Sie müssen wissen, warum Sie die einzelnen Bilder, Emotionen, Gedanken, Wertesysteme und Charaktere entwickeln und zwar vorher. Das ist natürlich mehr Arbeit, als wenn Schreiben ausschließlich ein weiches Fließen ihrer Gedanken wäre. Hinsetzen, träumen, die Gedanken schwimmen von einem Ereignis zum nächsten, und Sie schreiben einfach nur. Es wäre schön, wenn dieses so geschähe, aber mit der Ausnahme weniger Momente ist dem leider nicht so. Obwohl ich zugestehen muss, dass ich zu Anfang auch davon überzeugt war, dass sich in mir solch ein permanenter Prozess entwickeln würde.

Schreiben ist immer auch eine Reflektion des eigenen Selbst. Je besser Sie sich kennen, (insbesondere Ihre eigenen Schwächen) desto besser kennen Sie auch ihre Fähigkeiten und Einschränkungen, desto besser können Sie die Charaktere formen. Nur durch das intime Wissen über seine Protagonisten kann ein Konflikt entstehen, aus der das Drama entspringt. Sie erkennen die Konflikte, Motivationen und Entwicklungspotentiale. Sie erarbeiten das Verhältnis der Protagonisten zu bestimmten Lebensfragen, Ethik, Werten und Haltungen. Eine Schwäche zu besitzen bedeutet deshalb nicht das Buch zu schwächen. Sondern nur, wenn dieses unbewusst und damit nicht gelenkt einfließt. Eine meiner größten Schwächen war oder ist, dass ich immer die Angst besitze, dass meine Leistungsfähigkeit nicht ausreicht für das, was ich von mir erwarte. Ein inhärenter Bestandteil meines Charakters, durch den ich nicht verhindern kann, dass sich in den von mir geschaffenen Hauptprotagonisten Zweifel bilden, ob sie das, was sie selbst von sich fordern, auch umsetzen können (und seien es auch nur noch so kleine Andeutungen in ihrer Sprache oder Umsetzung der Handlungen). Da mir dieses bekannt ist, kann ich es nun gezielt einsetzen. Ich nutze diese Selbstzweifel, um den Charakter meines Protagonisten sympathisch zu gestalten. Auf diese Weise ist es mir sogar möglich, dass er sich an große, dimensionale Aufgaben herantastet ohne maßlos zu wirken. Die Auseinandersetzung mit mir verhilft mir so interessantere Charaktere zu gestalten. Ich weiß nicht nur, wie sie sind, sondern auch wieso und kann dies in Geschichten einbinden, die ihr Verhalten authentisch erläutern.

Sie als Autor bestimmen alles: Protagonisten, Charakter, Beziehungen untereinander, Gedanken, Ethik, Handlungen, Erzähltechnik, Hintergründe – die als Realität eingebunden sind, aber Sie haben nichts in dem Buch zu suchen. In dem Roman selbst ist der Autor (Ausnahme Biographie) die unwichtigste Person. Natürlich geben Sie den Charakteren Ihre Gedanken. Aber, es muss als Gedanke und Wert des Protagonisten zu beschreiben sein. Niemals, der Autor will mich belehren!